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Die Zeit, (969 bis 1171 n. Chr.) in welcher die Familie der Fatimiden über das Land am Nil herrschte, gehörte zu den glänzendsten Perioden der Geschichte Ägyptens in islamischer Zeit. Das Imperium der Fatimiden reichte zeitweise vom Magrib und Sizilien bis zum Jemen und zum Euphrat. Ägypten wurde unter ihrer Herrschaft zur Drehscheibe des damaligen Welthandels und damit stieg die von ihnen gegründete Residez Kairo zur wichtigsten Metropole der islamischen Welt auf.
Hans Wüthrich
Al-Qahira
Aus der Geschichte einer
Stadt
Die Fatimiden
Die Fatimiden
Das Herrscherhaus, das seine Herkunft auf Fatima, der Tochter des Propheten, und ihren Gemahl Ali, Mohammeds Vetter, zurückführte und danach benannt wurde, war im 9. Jahrhundert aus obskuren Anfängen aufgestiegen. Als Oberhäupter der schiitischen Sekte der Ismailiten hatten die Ahnherren der Fatimiden die Islamische Welt mit einem Netz von verschworenen Zellen überzogen mit dem Ziel, das Kalifat der Abbasiden in Bagdad zu stürzen. In den Jahren 902 bis 909 hatten ihre nordafrikanischen Anhänger in zähem Kampf die Statthalter Bagdads in Nordafrika, die Emire von Kairuan, niedergerungen. Das damalige Oberhaupt der Sekte, Abdallah al-Mahdi, wurde zum Gegenkalifen ausgerufen. Sechzig Jahre lang war das heutige Tunesien mit den fatimidischen Palaststädten al-Mahdiya, Raqqada und al-Mansuriya bei Kairuan das Zentrum des Fatimidenreichs. Das islamische Spanien, al-Andalus, wurde nun vollends vom islamischen Orient abgeschnitten, von dem es sich politisch bereits in Jahre 756 gelöst hatte.
Im Jahre 929 nahm der Emir von Cordoba ebenfalls den Kalifentitel an. Also gab es nun drei Herrscher, die die rechtmässige Nachfolge des Propheten Mohammed beanspruchten.
Die Fatimiden als Gegenkalifen zum sunnitischen Kalifat von Bagdad haben sich nie mit der Herrschaft über Nordafrika zufrieden gegeben. Ihr Anspruch auf die alleinige Führung aller Muslime im Sinne ihres schiitisch-ismailitischen Bekenntnisses stellte sie unabdingbaren Gegensatz zu Bagdad und damit an die Seite des christlichen Reiches von Byzanz. Anfangs der 30er Jahre des 10. Jahrhunderts wurde zum ersten Mal ein Waffenstillstand zwischen Byzanz und den Fatimiden abgeschlossen, den der Kaiser in Konstantinopel mit regelmässigen Geldzahlungen erkaufte. Trotz gelegentlicher Konflikte wurde dieser Vertrag immer wieder erneuert, und wurde zu einer Konstante der fatimidisch-byzantinischen Beziehung.
Nach mehreren gescheiterten Versuchen gelang es den Fatimiden im Jahre 969 Ägypten, eine Provinz des Bagdader Kalifats, in ihre Macht zu bringen und sogleich begannen sie sich da einzurichten. Mit dem Umzug des vierten Fatimiden-Kalifen al-Mu’izz ins neu gegründete Kairo begann im Jahre 973 ein neuer Abschnitt in der Geschchte der Fatimiden. Nach dem Sturz der Dynastie durch den sunnitschen Sultan Saladin im Jahre 1171 wurden die Ismailiten zu einer, wenn auch mehrfach gespalenen, Sekte, die bis in die heutige Zeit überdauert hat. Der Agha Kahn beanspruchte als 49. Imam der Ismailiten nicht nur das geistige Erbe der Fatimiden sondern gilt auch als leiblicher Nachkomme der Kalifen von Kairo.
Der Fatimide al-Mu’izz li-Din Alläh war zweiundvierzig Jahre alt, als er am 7. Ramadan (10. Juni) 973 auf der Schiffbrücke an der Südspitze von Roda, den Nil überquerte und in die für ihn erbaute Palaststadt al-Qahira einzog. Am darauf folgenden Tage erschien, in Begleitung von Richtern, Rechtsgelehrten und anderer Notabeln, eine Delegation führender ägyptischer Persönlichkeiten, um ihm zu gratulieren. An ihrer Spitze die Scherifen, die leiblichen Nachkommen des Propheten Mohammed. Am 10. Ramadan (13. Juni) wurden vor dem Freitagsgebet die Namen des neuen Kalifen und des designierten Thronfolgers, des Prinzen Abdallah, in den Moscheen verlesen und bekannt gemacht.