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Die Zeit, (969 bis 1171 n. Chr.) in welcher die Familie der Fatimiden über das Land am Nil herrschte, gehörte zu den glänzendsten Perioden der Geschichte Ägyptens in islamischer Zeit. Das Imperium der Fatimiden reichte zeitweise vom Magrib und Sizilien bis zum Jemen und zum Euphrat. Ägypten wurde unter ihrer Herrschaft zur Drehscheibe des damaligen Welthandels und damit stieg die von ihnen gegründete Residez Kairo zur wichtigsten Metropole der islamischen Welt auf.
Hans Wüthrich
Al-Qahira
Aus der Geschichte einer
Stadt
Die Palaststadt Al-Qahira
Die Palaststadt al-Qahira
Die neu erbaute Palaststadt war von einer Turmlosen, sieben Ellen dicker Mauer aus Lehmziegel umgeben, die von acht Toren durchbrochen war und nicht durch fünf, wie Naser-e Hosrou beschrieb. Die Festung unterbrach somit die alte Landstrasse, die zur Nordsüdachse von Kairo wurde. Noch heute trägt sie den Namen des Gründerkalifen al-Mu’izz. Sie begann im Süden beim Doppeltor bab Zawila und verlies die Palaststadt durch das Tor der Triumphe, bab al Futuh.
„Von ausserhalb der Stadt gesehen, gleicht der Palast des Herrschers mit seinen zahlreichen hohen Gebäuden einem Gebirge“,
schrieb Naser-e Hosrou weiter,
„doch von der Stadt selber aus kann man nichts davon sehen, den seine Mauer ist zu hoch.“
Der grösste, östliche Palast diente der Wohnung und dem Aufenthalt und umfasste neben den Privatgemächern des Kalifen und seiner Frauen den Thronsaal, das Schatzhaus, die Zeughäuser und die Diwane. Er war der Öffentlichkeit nicht zugänglich ausser sie wurden zu Audienzen zugelassen. Aus Gründen der Sicherheit stand der befestigte Palast völlig frei. Kein einziges Gebäude durfte an seie Mauern stossen, damit die tausend Mann starke Garde zu Pferd und zu Fuss des Nachts unablässig umrunden konnte.
Naser-e Horous wusste weiter zu berichten, dass die Palastmauer zwölf einzelstehende Gebäude umschlossen haben soll und angeblich dreißigtausend Menschen im Palast lebten und arbeiteten, davon zwölftausend Lohndiener. Es waren neun Tore die in den Palast führten, wusste Hosrou weiter zu berichtet. Über dem Haupteingang, dem goldenen Tor, das auf die grosse Esplanade führte, befand sich eine Loge , auf der der Kalif sich bei bestimmten Anlässen den draussen versammelten zeigen konnte.
Der Palast nahm das Gelände des heutigen Viertels Khan al-Khalili ein. Das südliche Palasttor, Bab ad-Dailam, lag gegenüber dem heutigen Husain-Schrein, al-Mashad al-Husaini.
Den eigentlichen Palast umgaben ausserhalb des Weges, Bauten, die verschiedenen Bedürfnissen des Hofes und der Armen dienten. Während im Norden, zwischen dem Palsart und dem Bab en-Nasr die Kasernen untergebracht waren,stand im Südosten einer der Marstaälle des Kalifen und südlich davon,mit eiem weiten Vorplatz, die Moschee al-Azhar (die Strahlende), die dem Kalifen und
seinem Hof als Freitagsmoschee diente. Der heutige Gebetssaal ist noch der des Gründungsbaus
, der aber im Laufe der Zeit von weiteren Bauten umgeben wurde. Im Süden des Palastes lagen die Bibliothek, die Münze sowie Magazine für Getränke, Sättel, Zelte, Tapisserien und Stoffe. Im Südwesten stand das Mausoleum des Kalifen und seiner Familie und das Depot der Schilde.
An der Südseite der Esplanade lag die Küche des Palastes, die mit dem östlichen Schloss durch einen unterirdischen Gang verbunden war, damit man die Speisen nicht über die Strasse zu tragen brauchte. Dahinter lagen die Gärten, die im Westen bis an die Stadtmauer reichten. Darin stand der kleine Palsat, denNaser-e Hosrou als Pavillon oder Kiosk benannte.
„Er war ganz aus Haustein errichtet, so dass man hätte meinen können, er sei aus einem einzigen Stück Stein gemacht.“
Mit dem Ost-Palast, dem Harem, war der Pavillon durch einem weiteren unterirdischen Gang verbunden. Der Kalif konnte dadurch ungesehen von einem Palast zum anderen reiten. Der westliche und kleine Palast diente dem Vergnügen. Der Kalif pflegte zur Zeit der Nilschwelle dort zu logieren, um von hier aus Bootsausflüge auf dem Kanal zu machen. Die Beiden Paläste wurden „die strahlenden Schlösser“ genannt, wie die Palastmoschee „die Strahlende“ hiess.
Heute ist von beiden Palästen nichts mehr zu sehen. Der grosse Platz, die Esplanade zwischen den beiden Palästen ist von Bauwerken der Mameluken-Sultane überbaut.
Während der ganzen Zeit der Fatimidenherrschaft blieb der Charakter Kairos als Palaststadt erhalten. Innerhalb seiner Mauer wohnte niemand ausser dem Kalifen, seinen Soldaten und seinen Höflingen, die er durch seine Nähe auszeichnete. Rund um die Paläste und die sie umgebenden Funktionsbauten lagen die Wohnquartiere dieser privilegierten Gruppen. Sie trugen meist den Namen der Armee-Einheiten, denen ursprünglich die Viertel zugeteilt waren.
Nach den Aufzeichnungen von Naser-e Hosrou musste die Bebauung innerhalb der Mauern, in den zugeteilten Gebieten, zunächst locker gewesen sein. Drei grössere Plätze umgaben den östlichen Palsat und ein weiterer war der al-Azhar-Moschee nördlich vorgelagert. Seine Berichte weisen auf einzeln stehende Häuser hin, welche mit Gärten umgeben waren und bis zu sechs Stockwerke hoch sein konnten.
„Die Häuser sind so schön und elegant, dass man meinen könnte, sie seien aus Edelstein statt aus Gibs, Ziegeln und Stein gemacht. Alle Häuser von al-Qahira stehen einzeln, so dass niemandes Baum oder Gebäude an die Wand des anderen stösst, und immer wenn jemand es nötig hat, kann er an seinem Haus Durchbrüche machen und anbauen, ohne dass ein anderer dadurch beeinträchtigt wird“.
Der Kairiner Arzt, Ibn Ridwan (998-1061) schildert die Häuser von al-Qahira als viel niedriger im Vergleich zu jenen von Fustat Misr (Alt-Kairo):
Al-Qahira’s Gassen sind breiter und sauberer als die von al-Fustat und weisen weniger Schmutz und Fäulnis auf. Das Trinkwasser der Bewohner stammt meist aus Brunnen. Da aber der Wasserspiegel von al-Qahira dicht unter der Oberfläche liegt und der Boden obendrein durchlässig ist sickert zwangsläufig einiges vom Unrat der Latrinen in die Brunnen. Viele Kairiner trinken aber auch Nilwasser, besonders wen dieses den Kanal füllt. Dieses Wasser aber wird geschöpft, nachdem es al-Fustat passiert und sich mit dessen Abwässern vermischt hat.
Was die Palaststadt al-Qahira von anderen, organisch gewachsenen orientalischen Städten unterschied, war das Fehlen eines Suq, eines geschlossenen Areals, das ausschliesslich dem Handwerk und dem Handel vorbehalten war. Diese lagen in der eigentlichen Stadt, al-Fustat, die in gut drei Kilometer Entfernung lag. Bald aber bildete sich entlang der südlichen Ausfallstrasse, vor dem Bab Zawila, ein kleiner Markt, der die Versorgung von Hof und Heer erleichterte.